Drechsler und Kunst können in verschiedenen Verhältnissen zueinander stehen.
Da der Begriff Kunst „(…) die Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benennt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind(…)“, ist das Drechslerhandwerk automatisch ein künstlerischer Beruf. Die Gestaltung von funktionellen oder unfunktionellen Gegenständen durch Aneinanderreihungen von Formen, die nicht unbedingt der Funktion dienen, ist individuell und letztlich nur dem Willen des Schöpfers und seinem ästhetischen Empfinden unterworfen. Der Drechsler kann also Kunst erschaffen.
Trotzdem sehe ich persönlich meine Arbeit nicht als Kunst, sondern als Handwerk an. Als Handwerker arbeite ich jedoch ab und zu für Künstler. Diese Arbeiten sind anspruchsvoll und interessant. In jedem Fall eine Herausforderung, da die gewünschten Produkte nicht immer den handwerklichen „Regularien“ folgen.
Von 2014 bis 2016 arbeitete ich gemeinsam mit meiner Drechslerkollegin Karina Ihlenburg (Drechslerei Rose) am The Shapes Project: Shapes Spinoffs des amerikanischen Künstlers Allan McCollum mit. Seit Ende der 60er Jahren ist er künstlerisch aktiv und zählt zu den weltweit wichtigsten Vertretern der zeitgenössischen Konzeptkunst.
2019 drehte ich Teile für die Installation death of a housewife des neuseeländischen Künstlers Oscar Enberg. Während Allan McCollum strenge Vorgaben an die zu drehenden Objekte stellt, gibt es bei Oscar Enberg etwas Freiraum. Der junge, sehr vielseitige Künstler liebt Arrangements verschiedenster Formen und Materialien, die Bezug nehmen auf Gesellschaft, Film, Kunst und Literatur.
Für eine neue Installation durfte ich auch in diesem Jahr einige Teile fertigen und bin bereits neugierig auf die fertige Umsetzung. Es geht auf jeden Fall um einen mysteriösen „Besen-man“. Eine thematische Nähe zum „Tod der Hausfrau“ lässt sich mindestens erahnen. Die gedrehte Kugel aus verklebtem Kiefernholz hat einen Durchmesser von 25 Zentimetern. Die 3-teilige Säule aus Eschenholz, die an eine Wirbelsäule erinnert, erreicht eine Länge von 3 Metern. Weitere Teile sind aus Eichenholz und Ahorn gefertigt.
Besonders dicke Treppenstäbe lassen sich genauso leicht erneuern, wie klassische „Berliner Traillien„. In diesem speziellen Fall sollten Stäbe mit einem Durchmesser von 130 mm neu hergestellt werden. Um Aufwand und Materialverbrauch so gering wie möglich zu halten, entschied ich mich, den Stab zu teilen.
Ober- und Unterteil konnten mit der Kopierdrehbank vorgedreht werden, während die dicken Mittelstücken in Handarbeit gefertigt wurden. Die vorherige Durchbohrung ermöglichte ein Verzapfen von beiden Seiten. Um ein hundertprozentig identisches Erscheinungsbild zu gewinnen, wurden auch die am Automaten vorgedrehten Teile per Hand nachgearbeitet. Das Endergebnis rechtfertigt den Aufwand. Wenn die Zapfen passen und die Bohrung lotrecht ist, geht die Endmontage schnell.
Einzig die Verpackung der fertigen Treppenstäbe stellte eine Herausforderung dar. Man konnte den Stab drehen und wenden, aber die Bündelung mehrerer Stäbe war schier unmöglich. Das konnte ich schließlich durch die Direktanlieferung beim Kunden umgehen.
Als Material verwendete ich in diesem Fall Birkenholz. Der Drehstahl des Automaten musste tief eingreifen. In dem Fall ist ein relativ weiches Holz schonender für die Bauteile der hydraulischen Kopierdrehbank. Es hätte aber auch Erle oder Kiefer Verwendung finden können.
In ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz ist das Drechslerhandwerk vertreten, welches sich wie jedes klassische Handwerk durch eine solide Ausbildung, umfassende Kenntnisse und Fertigkeiten auszeichnet. Die Gesellen und Meister dieses Handwerks sind meist spezialisiert, aber prinzipiell in der Lage, alle Erzeugnisse des Drechslerhandwerks herzustellen. Einzig die maschinelle Ausrüstung und Übung in den verschiedenen Bereichen bestimmt, welcher Kollege welcheArbeit besonders effizient ausführen kann.
Entgegen dem allgemeinen Fachjargon verwende auch ich in diesem Artikel den Begriff „drechseln“. Die Suchmaschinen können dann besser zuordnen. Mehr Informationen zu dem Thema finden Sie hier.
Für einen Kunden durfte ich unlängst eine größere Holzkugel per Hand drehen.
Als Sportgerät gedacht, kam es in erster Linie auf das geplante Gewicht von 6 Kilogramm an. Diese Masse erhält man, wenn die Kugel aus Rotbuche besteht und einen Durchmesser von 25 Zentimetern besitzt. Um ein späteres Reißen der Kugel zu vermeiden, habe ich den Rohling mehrfach verklebt. Es sollte keine Kugel im technischen Sinne, sondern eine „optische“ Kugel werden. Deshalb reichte es völlig aus, die entstehende Form im Produktionsprozess mit einer Pappschablone zu kontrollieren.
Eine Kugel im technischen Sinne ist eine perfekte Form. Diese handwerklich herzustellen ist nicht so einfach. Meist handelt es sich um Kugeln, die bewegt werden sollen, wie zum Beispiel Billard-, Bowling- oder Kegelkugeln. Jede kleinste Unwucht oder Delle macht sich im Lauf bemerkbar. Auch solch eine Kugel lässt sich handwerklich herstellen – jedoch nur mit einem sehr hohen Aufwand. Die Technik nennt sich „über Kreuz drehen“ und wird vom Drechsler unter anderem in der Meisterausbildung verlangt. Früher wurden auch diese Kugeln nur vom Drechsler hergestellt. Aus Kunststoffen werden die heutigen Bowling-Bälle gegossen und an Automaten in Form gebracht.
Eine optische Kugel muss dem kritischen Blick standhalten und wird im Normalfall nicht in Rotation gebracht. So auch in diesem Fall, wo die Kugel für artistische Körperübungen genutzt wird.
Vielleicht ist es möglich, vom Kunden Bilder zu erhalten, wo die Verwendung der Kugeln ersichtlich wird. Durch die Vielseitigkeit des Drechslerberufes erhält man Einblicke in diverse Anwendungen und Tätigkeiten.
Holzkugeln und Kugeln mit Sockeln wurden unlängst im Berliner Zoo für den Chinesischen Pavillon benötigt. Aus diesem Grund kam eine große Berliner Abbundfirma auf mich zu und lieferte mir das bereits verklebte Lärchenholz direkt in die Drechslerwerkstatt.
Die Sockelkugeln sollten einen Durchmesser von 20cm haben – zuzüglich einem direkt angedrehten Sockel. Diese konnten bei mir aufgrund der Dimensionen und der Form nur per Hand gedreht werden. In mehreren Schritten (Bohren, Schruppen, Vordrehen) wurden die Rohlinge von mir an der Holzdrehbank in Form gebracht. Die tiefen Formen, wie Hohlkehle und Übergang der Kugel zum Sockel wurden dabei erst einmal vernachlässigt. Für die Kugelform verwendete ich eine simple Pappschablone.
In den weiteren Arbeitsgängen wurden die tiefen Hohlkehlen, der Sockelübergang und die kleine Aufsatzkugel angedreht, sowie das ganze Objekt geschliffen.
Ein weiterer Teil des Auftrages bestand in der Herstellung von 75 gebohrten Einzelkugeln im Durchmesser von 130mm. Angesichts der Menge war es nun vertretbar, über eine teilweise Automatisierung nachzudenken. Da mein hydraulischer Halbautomat nur über einen Werkzeugschlitten verfügt, musste ich die Rohlinge nach dem Schruppen noch etwas „in Form“ bringen. Da der Stahl nur eine vorgegebende Schnitttiefe hat, waren zusätzlich zwei Arbeitsvorgänge am Automaten notwendig. Der letzte Schnittvorgang wurde dann besonders langsam und mit schärfstem Werkzeug durchgeführt. Lärchenholz verfügt über harte und weiche Bereiche, die dem Werkzeug einiges abverlangen.
Um die Drehstümpfe abdrehen zu können, schlug ich die Kugeln sanft in ein selbstgefertigtes Passfutter ein. Zuletzt kam das Schleifen und Bohren und der Kunde konnte den Pavillon komplettieren. Auch die gewünschte rote Oberfläche wurde letztlich von der Zimmerei aufgebracht.
Einen schönen Auftrag mit etwas Außenwirkung hatte ich fertiggestellt.
Wochen später überzeugte ich mich bei einem Besuch im artenreichsten Zoo der Welt, ob auch die gerade erst angekommene neue Tierart – der Pandabär – gut untergekommen ist und auch beim Aufbau des zum Pandagelände gehörenden Pavillons nicht ausgerechnet auf meine Kugeln verzichtet wurde. Aber nein…alles war in bester Ordnung, wie meine letzten fotografischen Eindrücke beweisen:
Im Jahr 2009 hatte ich das Glück, ein Vogelhäuschen für einen Kunden drehen zu dürfen. Dieses wurde von mir aus Eichenholz gefertigt und stand jahrelang in einem Garten. Nun jedoch fand es nach 8 Jahren wieder den Weg zu mir. Wind, Wetter und Piepmätze hatten der Konstruktion stark zugesetzt, so dass für Ersatz gesorgt werden musste. Der Kunde, Inhaber einer Tischlerei hatte diesmal bereits das Material für sechs Vogelhäuser zugerichtet. In den ersten Arbeitsschritten drehte ich die Stangen per Hand in meiner Drehbank. Für die 1,50m langen Füße fand eine Lünette Verwendung.
Im nächsten Arbeitsgang bohrte ich in die noch eckigen Rohlinge der Korpushälften die Zapfenbohrung für Fuß und Spitze. An der Drehbank wurde nun zwischen den Spitzen die Passung für das Backenfutter angedreht. Das noch immer nur leicht abgerundete Holz erhielt anschließend eine große Bohrung, um das spätere Ausdrehen zu erleichtern.
Eingespannt in das Futter, unterstützt durch eine Lünette konnte es nun an das Ausdrehen der späteren Vogeldomizile gehen.
Die Herstellung einer solchen Hohlung kann man mit verschiedenen Werkzeugen bewerkstelligen. Wichtig ist nur, dass das Werkzeug scharf ist und der Abstand der Handauflage zum Werkstück möglichst gering gehalten wird. Die sehr feste und knochentrockene Eiche bearbeitete ich erst mit einem schmalen Schaber, um sie anschließend mit einer mittleren Formröhre auszudrehen. Auf das Schleifen des Hohlraumes konnte ich verzichten. Durch probieren passte ich jeweils den inneren an den äußeren Falz des Gegenstücks an. Nummerieren nicht vergessen…
Die weitere Vorgehensweise ist einfach. Korpushälften zusammenstecken und in der Drehbank die Außenform andrehen… Schleifen, fertig.
Wichtig bei der Endmontage ist die richtige Lage des Falzes, damit nicht unnötig Feuchtigkeit eindringt. Der Durchmesser des Loches richtet sich nach der Art und Größe der Vögel, denen man ein Zuhause bieten möchte.
In meinem Fall übernahm der Kunde die Montage, die eventuelle Oberflächenbehandlung, sowie das Bohren des Einflugloches und der Sitzstange. Persönlich würde ich das Vogelhäuschen im Naturzustand belassen, da die allmähliche Vergrauung eine wunderschöne Patina ergibt. Reparaturarbeiten über die Jahre sind nicht zu vermeiden, da die Form eine Segmentverklebung kaum zulässt.
Im Auftrag eines Designers durfte ich für seine speziellen Stehlampen die Säulen anfertigen. Das bereits verleimte und innen teilweise hohl gefräste Nussbaumholz wurde praktischerweise angeliefert. Dadurch fielen sämtliche potenziellen Probleme mit der Holzqualität und der Verleimfeuchte für mich unter den Tisch.
Die schlanken Teile maßen in der Länge ca. 1,45m. Der Durchmesser zog sich von 70 bis auf 8,7 Millimeter. Solche Maße sind ohne Hilfsmittel kaum zu händeln. Zu diesem Zweck steht dem Drechsler die Lünette zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe konnte ich die lange, schlanke Form gut bewältigen. Ein scharfes Werkzeug ist wie immer Voraussetzung für gutes Gelingen.
Alle 10 cm habe ich den Durchmesser nach Zeichnung vorgedreht und anschließend verbunden. Das beste Hilfsmittel ist dabei die Hand, die jede Delle und Beule fühlen kann. Beim Drehen schlanker Teile greift die linke Hand hinter das sich drehende Holz und fängt den Druck des Werkzeugs ab. Nur der Daumen führt das Werkzeug, welches ruhig in der rechten Hand liegt. Die Genauigkeit liegt dabei im Zehntelmillimeterbereich.
Die Lünette muss mehrmals versetzt werden, damit man an jeden Teil der Lampensäule herankommt.
Da der Drechsler ein typischer Zulieferer ist und meist Halbfertigteile herstellt, ist es auch in diesem Fall nicht ungewöhnlich, dass der Kunde – ein Berliner Designer – das Produkt selbst weiter verarbeitet. Im Ergebnis entstand eine Stehlampe, die in Form und Technologie exklusiv und ungewöhnlich ist. Deshalb findet sie nicht nur in Europa Absatz.
Ein paar schöne Ansichten und Detailinformationen finden Sie auf der Webseite vom Designer Tom Kühne.
Drechseln und Drehen – Begriffe im Bezug zum Drechslerhandwerk Kleine Abhandlung zum Drechseln und Drehen.
Die meisten Interessierten werden bestimmt noch nicht bemerkt haben, dass das Drechslerhandwerk andere Begriffe benutzt, als es im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist. So ist beim Drechsler – also dem, der den Beruf des Drechslers erlernt hat – zumeist die Rede vom Drehen, der Drehbank, den Dreheisen und den Drehtechniken. Um die Automatenarbeit von der Handarbeit zu unterscheiden, spricht man in der Regel vom Handdrehen und Automatendrehen.
Warum sich aus den vielen verschiedenen Berufsbezeichnungen im deutschsprachigen Raum (Dreier, Drayer, Draxler, Drexler, Drechsler, Dreher) letztlich das Wort „Drechsler“ durchgesetzt hat, lässt sich meines Wissens nicht konkret nachvollziehen. Vermutlich basiert die Entstehung auf eine Welle der Standardisierung und Vereinheitlichung im 19. Jahrhundert im Zuge der Reichsgründung. Möglich auch, dass das vom Franzosen Charles Plumier 1701 in Paris publizierte Werk „L‘ art de Tourner“ in einer deutschen Übersetzung dieser Berufsbezeichnung Vorschub geleistet hat.
Irrtümlicherweise denkt der Laie beim Wort Drehen sogleich an das Automatendrehen oder das Metalldrehen. Sicher nicht falsch. Und doch ist es auch das Handdrehen des Drechslers, das schlichtweg als Drehen bezeichnet wird.
Schaut man in die moderne Drechslerliteratur und ins Internet, liest man fast ausschließlich vom Drechseln, der Drechselbank, den Drechselwerkzeugen und den Drechseltechniken. Geschrieben wird in erster Linie für den Freizeitdrechsler und bedient sich somit dessen Sprache.
Schaut man in die Fachbücher aus der Vorkriegszeit, die fast immer von Meistern der Drechslerzunft geschrieben wurden, ist fast ausschließlich vom Drehen die Rede. Früher gebräuchliche und heute kaum noch angewandte Techniken, wie das Längs- und Querpassigdrehen oder das Ovaldrehen sind mit dem Wort Drechseln nicht verknüpfbar.
Die Begriffe Drechseln und Drehen gab es gemeinsam nebeneinander bereits im Althochdeutschen. Eine von mir befragte Etymologin (Dr. Elisabeth Berner) führte dazu Folgendes aus:
„(…)Beide gehen auf die gleiche Wurzel zurück, wobei ‚Drechseln‘ neben dem ‚Drehen‘ als grundlegender Tätigkeit auch die Komponente ‚kunstvolles Bearbeiten‘, also eigentlich mehr Prestige besitzt.(…)“. „(…)thrahslari (jeweils mit Querstrich über dem a = langes a) ist auf jeden Fall schon sicher zwischen 500 und 100 belegt und löst hier die noch ältere Bildung thrahsil ab. Die Differenzierung war im Barock auf jeden Fall abgeschlossen.(…)“
Ähnlich wird es vermutlich mit den verwandten Bezeichnungen gewesen sein. Wenn man den Begriff „Drehbank“ nimmt, denkt man zuerst an die Metallbearbeitung. Vergessen wurde jedoch, dass sich sowohl die Holz- als auch die Metalldrehbank aus ein und derselben Maschine entwickelt hat. Wichtiges Indiz dafür ist die identische Bezeichnung der wichtigsten Bauteile, wie Reitstock, Spindelstock, Drehbankbett. Sie weisen weiterhin darauf hin, dass diese Teile einmal aus Holz bestanden. Da Handwerk schon immer konservativ und traditionsbewusst war, haben sich diese alten Begriffe bis heute erhalten.
Beides ist also nicht falsch. Deutet man die Erkenntnisse aus den verschiedenen Quellen, steht also das Drehen für die typisch handwerkliche Tätigkeit. Diese zeichnet sich durch Tradition und allumfassende Kenntnisse und Fertigkeiten aus. Begriffe, Techniken, Werkzeuge und Hilfsmittel sind standardisiert. Kunden können sich im Umgang mit einem Drechsler oder Drechslermeister auf eine ganz bestimmte Bandbreite an Können verlassen.
Das Wort Drechseln wird massenwirksam
Eingesetzt wurde das Wort Drechseln vor allem in Abhebung vom gemeinen Drehen. Man musste dafür kein Handwerker sein, sondern wurde gleich zum Künstler oder Kunstdrechsler. Nach 1700 machten Nürnberger Drechsler das Handwerk hoffähig. Es war modern, sich der Kunst des Drechselns zu widmen. Man fühlte sich nicht an die engen Handwerksregularien gebunden. Kaiser, Päbste, Zaren – alle wurden sie zu Freizeitdrechslern. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte diese Mode ihren Höhepunkt erreicht und zeichnete sich durch unzweckmäßige und überspitzte Drechsler-Kuriositäten aus, die schließlich zum gemeinsamen Einbruch von Hobby und Handwerk führte.
Das Drechslerhandwerk hat auch diese lange Zeit überlebt, obwohl viele alte Techniken über die Jahrzehnte der Unterforderung in Vergessenheit geraten sind. Durch das solide und weit gefächerte Wissen und Können konnten immer wieder Nischen ausgefüllt werden. Ein bekannter Vertreter der Zunft war Drechslermeister August Bebel, der in den gefährlichen Zeiten des Sozialistengesetzes neben seiner politischen Tätigkeit seine kleine Drechslerei am Laufen halten musste.
Gründerzeit- und Jugendstil bis um 1900 bescherten ein kurzzeitiges Aufleben des Drechslerhandwerks. Danach musste man sich mit Gebrauchsgegenständen, Möbelfüßen, Spulen oder auch Griffen für Handgranaten über Wasser halten. Erst ab den 70er Jahren erlebten Drechslerhandwerk als auch Freizeitdrechsler einen enormen Aufschwung.
Mittlerweile ist es wieder ruhig geworden. Sehr ruhig – zumindest im Handwerk.
Der Freizeitmarkt boomt mehr als je zuvor, ist er ja nicht auf Aufträge angewiesen und muss sich nicht um seine Existenz sorgen. Der Markt hat sich darauf eingestellt.
Um die Bezeichnungen Drechseln und Drehen einordnen zu können, bedurfte es dieses kleinen Ausfluges in die Geschichte.
Ich hoffe für unser schönes Gewerk, dass mit den Begriffen nicht auch das Handwerk selbst still und heimlich verschwindet…
Quellen: Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 3 Bände, Akademie-Verlag 1989, 1.Band, S.304 Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1860, 2. Band Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Verlag S.Hirzel, Auflage: 38, 1999 Internetauftritt Verband des Deutschen Drechsler- und Holzspielzeugmacher-Handwerks e.V. http://www.drechslerverband.de/seite/32888/geschichte.html
Unlängst durfte ich eine hölzerne Sparbüchse mit Bajonettverschluss drehen. Ziel der Sparfunktion war die Rettung der afrikanischen Tierwelt. Aus diesem Grund wählte ich in Absprache mit der Kundin den Habitus einer Giraffe. Zugegebenermaßen einer ziemlich dicken Giraffe, aber es sollte ja auch Einiges an Geld hineinpassen. Damit die Spenden nicht gleich wieder unten hinausfallen, musste eine Lösung für den Boden her. Diese war eine Art Bajonettverschluss, der den Boden verschließt und trotzdem wieder zu öffnen ist.
Auf dem Bild ist die fertige Giraffe leider schon Opfer des in einer Drechslerei massenhaft anfallenden Holzstaubes geworden. Man sollte aber hoffentlich gut erkennen können, wie der Verschlussmechanismus ausgeführt wurde. In den Sparbüchsenkorpus wurde das Gegenstück zum Deckel eingedreht und mit einem Stopper und einem kleinen Keil versehen, der ein zu schnelles Lösen verhindern sollte. Die Gefahr bei dieser Konstruktion ist einzig und allein die Verformung der Teile aus Eichenholz. Deshalb muss etwas großzügiger gearbeitet werden.
Der Hals der Giraffe wurde an den Korpus angepasst und mit kleinen Dübeln befestigt. Der geschnitzte Schwanz ist auf den Aufnahmen leider nicht zu sehen, rundete aber das Gesamtbild sehr schön ab. Augen, Ohren und Hörner wurden mit kleinen Zapfen eingesetzt und die Nasenlöcher geschnitzt. Die hoffentlich vorhandene Ähnlichkeit ist nicht zufällig, sondern basiert auf dem fleißigen Studium von Giraffenporträts…
Die Giraffe hätte man auch wachsen, ölen oder mit einem Mix von beidem behandeln können, aber uns erschien die Verwendung eines stabilen Lackes sinnvoller, um einen besseren Schutz der Oberfläche gewährleisten zu können.
Gern stelle ich gedrehte Möbelbeine – ganz nach Wunsch des Kunden her. Dabei spielen Stil und Funktion keine Rolle. Ob nach Zeichnung, Handskizze, Muster oder Bild – alles ist prinzipiell machbar. Die Kunden sind zumeist Tischler, Designer, Produktentwickler und Restauratoren. Aber auch mancher Bastler lässt sich gern ein paar passende Beine für seinen selbstgebauten Stuhl, Tisch oder sein Bettgestell drehen. Da fast jede individuelle Idee unkompliziert umgesetzt werden kann, entstehen zum Schluss Unikate oder Designerstücke. Auch die detailgetreue Nachbildung von gedrehten Möbelbeinen- oder Füßen, die bereits einige Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte auf dem Buckel haben, gehört zum Alltag eines Drechslers.
In diesem Fall benötigte der Kunde ein völlig neues Bauelement, angelehnt an die Form eines alten Möbelfußes.
Diese einfachen runden Beine mit angeschnittenem Winkel wurden von der Firma Rejon Design entwickelt und zu einem modernen Beistelltisch aus Eichenholz verarbeitet.
Auch hier wurden nach Wunsch vier Möbelbeine aus Eichenholz im Gründerzeitstil hergestellt.
Diese vier Cembalobeine aus Platanenholz fanden Eingang in die Konstruktion eines Cembalos aus dem Haus Fischinger / Berlin. (Bild: Markus Fischinger)
Da man mit dem QR-Code schnell und komfortabel in meine Drechslerei gelangt, möchte ich das Interesse auch mit einer extra dafür erstellten Seite belohnen.
Watt is denn an deem Haus interessant ?
Das alte Backsteingebäude, vor dem Sie stehen, wurde 1936 als Tischlerei errichtet. Die Rückwand des Hauses steht quasi im zweiten Graben der ehemaligen Stadtbefestigung. Deshalb der Name „Wallgraben“. Die Fundamente der Gebäude waren beim Hausbau eine echte Herausforderung. Angeblich wurde dieses Fundament mehrmals geschüttet, weil es immer wieder absackte. Zement war damals teuer – zu der Zeit wurde der Westwall gebaut und viele Bunker- und Befestigungsanlagen standen in den Startlöchern. 1938 wurde deshalb auch ein Baustopp für alle zivilen Bauvorhaben verhängt.
Hinter dem rechten Fenster befand sich ein kleiner Schweinestall. Der geräumige Dachboden wurde für die Lagerung von Heu, Material und Särgen genutzt. Man konnte nur mit einer Leiter durch zwei Luken nach oben gelangen. 1945 hielten sich dort oben während des Einmarsches der Sowjetarmee einige Männer vom Volkssturm in Särgen versteckt, die Tischlermeister Karl Gropler dort lagerte. Seinen Betrieb führte er von 1926 bis Anfang der 70er Jahre. 2003 fand ich in der Dachtraufe eine gut versteckte Handvoll Karabinermunition, von der selbst der alte Tischlermeister vermutlich nichts wusste. Er selbst arbeitete bis zum Schluss – seine letzte Arbeit war eine eichene Haustür für den Schmiedemeister Otto Linnicke. Da war er 73 Jahre alt.
Und nu…?
1988 richtete ich in diesem Gebäude meine Drechslerwerkstatt ein. Damit gab es in Ziesar wieder eine Drechslerei. Die letzte ihrer Art befand sich in der Gartenstraße. Drechslermeister Grunicke kam aber leider aus dem 2.WK nicht zurück.
Der kleine Schweinestall wurde nun zum Automatenraum, der Dachboden zu Lager, Packraum, Büro und Bereich für die Späne-Absauganlage. Statt Schränken, Fenstern, Türen, Särgen und anderen Tischlereierzeugnissen, stelle ich nun Erzeugnisse des Drechslerhandwerks her. Verkürzt gesagt:
Der Tischler macht eckig – der Drechsler rund.
Dafür stehen in den Räumen diverse Maschinen zur Verfügung, die nach und nach angeschafft wurden. Wie Sie an den staubigen Fenstern erkennen können, lässt sich in einer Drechslerei die Entstehung von Holzstaub und Spänen kaum vermeiden. Es ist also ein Zeichen dafür, dass hier gearbeitet wird.
Und watt machste so…?
Das Spektrum der hergestellten Erzeugnisse ändert sich immer wieder im Laufe der Jahre. Es gibt tausende von Erzeugnissen, die ich herstellen kann. Viele davon sind bereits angefertigt worden. Um eine Vorstellung von der Vielseitigkeit der Produkte zu bekommen, habe ich Ihnen hier einige Seiten zu besonderen, aber auch alltäglichen Produkten verlinkt. Klicken Sie dazu einfach auf das jeweilige Bild.
Weitere Beispiele an Erzeugnissen finden Sie [ hier ].
Es gibt leider nur noch wenige Drechslereien in Deutschland. Es handelt sich um ein uraltes Handwerk, das man erst erlernen muss. Wie in anderen Gewerken absolviert man eine 3-jährige Lehre und kann sich anschließend zum Handwerksmeister qualifizieren. Es gibt viele Spezialisierungsrichtungen, die man als Firma einschlagen kann.
Mit etwas Glück können Sie mir übrigens direkt vom Burgenwanderweg aus bei der Arbeit an der Holzdrehbank zusehen.
Meine Erzeugnisse findet man mittlerweile deutschlandweit, aber auch in der einen oder anderen Ausstellung von Künstlern zB. in Berlin, Miami, Basel, Wellington…