Drechsler und Kunst

Drechsler und Kunst können in verschiedenen Verhältnissen zueinander stehen.

Da der Begriff Kunst „(…) die Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benennt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind(…)“, ist das Drechslerhandwerk automatisch ein künstlerischer Beruf. Die Gestaltung von funktionellen oder unfunktionellen Gegenständen durch Aneinanderreihungen von Formen, die nicht unbedingt der Funktion dienen, ist individuell und letztlich nur dem Willen des Schöpfers und seinem ästhetischen Empfinden unterworfen. Der Drechsler kann also Kunst erschaffen.

Trotzdem sehe ich persönlich meine Arbeit nicht als Kunst, sondern als Handwerk an. Als Handwerker arbeite ich jedoch ab und zu für Künstler. Diese Arbeiten sind anspruchsvoll und interessant. In jedem Fall eine Herausforderung, da die gewünschten Produkte nicht immer den handwerklichen „Regularien“ folgen.

Von 2014 bis 2016 arbeitete ich gemeinsam mit meiner Drechslerkollegin Karina Ihlenburg (Drechslerei Rose) am The Shapes Project: Shapes Spinoffs des amerikanischen Künstlers Allan McCollum mit. Seit Ende der 60er Jahren ist er künstlerisch aktiv und zählt zu den weltweit wichtigsten Vertretern der zeitgenössischen Konzeptkunst.

Drechsler macht Kunst von Allan McCollum
…frisch aus der Holzdrehbank…

2019 drehte ich Teile für die  Installation death of a housewife des neuseeländischen Künstlers Oscar Enberg. Während Allan McCollum strenge Vorgaben an die zu drehenden Objekte stellt, gibt es bei Oscar Enberg etwas Freiraum. Der junge, sehr vielseitige Künstler liebt Arrangements verschiedenster Formen und Materialien, die Bezug nehmen auf Gesellschaft, Film, Kunst und Literatur.

Drechsler macht Kunst von Oscar Enberg
Teil der Installation „death of a housewife“

Für eine neue Installation durfte ich auch in diesem Jahr einige Teile fertigen und bin bereits neugierig auf die fertige Umsetzung. Es geht auf jeden Fall um einen mysteriösen „Besen-man“. Eine thematische Nähe zum „Tod der Hausfrau“ lässt sich mindestens erahnen. Die gedrehte Kugel aus verklebtem Kiefernholz hat einen Durchmesser von 25 Zentimetern. Die 3-teilige Säule aus Eschenholz, die an eine Wirbelsäule erinnert, erreicht eine Länge von 3 Metern. Weitere Teile sind aus Eichenholz und Ahorn gefertigt.

Drechslerei Huber - Projekt Oskar Enberg

 

Holzschale vom Künstler nachgebaut

Holzschale ist nicht gleich Holzschale. Vom zarten, schlichten Schälchen für den Schmuck, kann es über sämtliche Zwischenformen- und Größen mit allerlei Rafinessen bis zur Schüssel im Meterbereich gehen. Nichts wird im Hobby- und Künstlerbereich so gerne gefertigt, wie Schalen. Und das zum Teil mit großer Hingabe und Kunstfertigkeit.

Querholzdrehen gehört zur Grundausbildung des Drechslers. In der Gesellen- und Meisterausbildung wird großen Wert auf die saubere und maßhaltige Fertigung von Querholzobjekten gelegt. Jeder gelernte Drechsler ist in der Lage, eine handwerklich korrekt gefertigte Schale anzufertigen. In einer Baudrechslerei ist jedoch das Drehen von Schalen nicht an der Tagesordnung.

Umso mehr freute ich mich über den Auftrag eines Stammkunden, ein Objekt des Künstlers Lüder Baier nachzuempfinden. Es handelte sich um eine schlichte Schale aus schwerem, dunklen Tropenholz. In der Mitte wurde ein Dorn aus Messing eingearbeitet. Das Objekt war leider nicht mehr ansehnlich und sollte Ersatz bekommen. Das verklebte Eichenholz wurde vom Kunden geliefert.

Handskizze vom Querschnitt    Handskizze vom Querschnitt

Auf dem Schraubenfutter wurde von mir die Rückseite gedreht. Dabei war zu beachten, dass ein Bauch mit durchgängigem Radius entstand. Diesen hatte ich mir errechnet und eine Schablone angefertigt. Einen Fuß ließ ich dabei stehen.  Diesen benötigte ich danach zum rückwärtigen, sicheren Spannen. Die Innenseite wurde nicht akkurat kopiert, sondern mit Gefühl nachempfunden. Auf die originale Messingspitze legte der Kunde keinen Wert. Eine Planscheibe mit Spannklötzen (schnell selbst gefertigt) wurde dann von mir verwendet, um den Fuß wieder wegzudrehen. Der Radius der Unterseite wurde somit vollendet.

Holzschale von Lüder Baier mit Nachbauten

Die Deutschen Werkstätten Hellerau, die ich auf einer unserer zahlreichen Innungsfahrten besuchen konnte, widmete dem 2012 verstorbenen Künstler mit dem bekannten Signum LB eine eigene Ausstellung.

Drechslerprodukte spiegeln sich im Brennholz wider

Wer hätte gedacht, dass sich meine Drechslerprodukte noch so lange im Brennholz widerspiegeln?

Viele Jahre lagert bereits ein großer Teil meines Brennholzvorrates in einem Seecontainer, der sonst nur als Abstellraum für Gartenutensilien genutzt wird. Irgendwann wurde es Zeit, dieses Brennholz seinem eigentlichen Zweck zuzuführen – dem Heizen meines alten Universalkessels und damit dem Wärmen von Werkstatt und Wohnhaus.  Stück für Stück landete somit im Ofen. Ab und zu verbanden sich mit einem Stück Holz alte Erinnerungen an hohe Holzstapel, fleißige Helfer, den einen oder anderen grünen Schein, den man dem Holzhändler zuschieben musste und natürlich einzelne längst vergessene Produkte meiner seit 1988 bestehenden Drechslerei.

Brennholz aus der Drechslerproduktion
Ein paar Abfallstücke habe ich mir beim Befüllen des Kessels beiseite gelegt und nachgeschaut, ob es noch Bilder meiner dazugehörigen Drechslerprodukte gibt. Besonders interessant, weil das Produktionsspektrum immer wieder den Trends und Bedürfnissen folgen musste, somit sich natürlich auch eigene Fertigkeiten, Maschinenpark und Logistik  erweiterten.

In der linken Ecke finden sich zum Beispiel kleine Plättchen aus Kiefernholz und ein Stück Hartfaserplatte, mit denen ich ein Spielboot beplankt und ausgekleidet habe, welches noch heute in einer Kinderarztpraxis steht. Das war im Sommer 1991. Das Boot wird immer noch regelmäßig überholt – vor zwei Jahren musste das Steuerrad erstmalig komplett ausgewechselt werden.  Das Radlager vom Trabant war schon arg mitgenommen…

Spielboot Drechslerprodukte

Auf der rechten Seite liegen einige Stücke kreisförmig ausgeschnittenes Erlen- und Eschenholz. Die Reste entstanden beim Ausschneiden von Tellern, aus denen ich  profilierte Ringe gedreht habe. Diese dienten von mir erdachten und gefertigten Zeitungsständern als Füße. 1989 fing ich an, diese beliebten Objekte an Kunstgewerbeläden zu verkaufen. Über Geschmack lässt sich natürlich streiten, aber damals konnten die Erzeugnisse garnicht genug Schnörkel und Formen haben.

Zeitungsstaender Drechslerprodukte

Das kleine gedrehte und gebohrte Stück in der Mitte ist ein Abfallteil aus meiner ältesten Serienproduktion. Als ich im Sommer 1988 meine Drechslerei eröffnete benötigte ich einen stabilen „Aufhänger“, der mir regelmäßig gut bezahlte Arbeit bescherte. Das waren dann sogenannte Pfeifenständer, in denen ein Pfeifenraucher seine Pfeifen abstellen konnte. Die Konstruktion war für fünf Pfeifen gedacht, war aus Birkenholz und wurde in 3 verschiedenen Farbtönen geliefert. Alle paar Wochen fuhr ich mit einem vollgepackten Saporoshez nach Berlin zur Großhandelsgesellschaft (GHG) „Waren täglicher Bedarf“ (WtB) und verhalf den Tabakwarenläden in Potsdam und Berlin  zu etwas mehr Angebot. Das dazu benötigte sogenannte „Preiskarteiblatt“ hatte ich im Vorfeld bei der ÖVW des Landkreises beantragt und genehmigt bekommen.
Die auf meiner Erika getippte Rechnung vom 3.9.1988 hab ich zur Belustigung mal mit hochgeladen.

Pfeifenstaender Drechslerprodukte Rechnung

Jetzt sage noch jemand, dass Brennholz nur Wärme spendet….. :D

 

Drechslerarbeiten für Künstler

Vor knapp zwei Jahren nahm die Berliner Galerie Schulte den Kontakt zu mir auf, da sie eine Drechslerei suchte, die für den New Yorker Künstler Allan McCollum Drechslerarbeiten ausführen würde.
Nach vielen detaillierten Absprachen war es dann soweit – der Auftrag, der aufgrund der Menge der zu schaffenden Kunstobjekte mit der Drechslerei Rose geteilt wurde – stand und es konnte mit der Arbeit begonnen werden.
Die mit einem speziellen Programm entwickelten Formen des Künstlers stellen seit Beginn eine große Herausforderung an uns Handwerker dar. Für manche Formen mussten Befestigungsmöglichkeiten erdacht, neue Handauflagen gefertigt oder neue Werkzeuge geschliffen werden. Insgesamt 144 technische Zeichnungen von jeweils unterschiedlichen Objekten mussten gesichtet, sortiert und eingeschätzt werden. Allesamt jeweils ca. 17 cm im Durchmesser und ca. 25,5 cm lang. Verklebt wurde nur der helle Anteil des dafür eingekauften Eschenholzes.
Bei oberflächlicher Betrachtung sehen die meisten sogenannten „Shapes“ recht einfach aus. Der Teufel liegt aber wie so meist im Detail. Viele dieser zum Teil verborgenen Formabschnitte sind von außen kaum sichtbar und nur auf der Zeichnung nachvollziehbar. Jedoch spielt hier nicht die weniger aufwändige praktische Umsetzung, sondern die Vollkommenheit der vorgegebenen Form die wichtigere Rolle.
Da die ersten Objekte bereits auf der Art Basel ausgestellt waren, dürfen auch die Produzenten der Holzobjekte ihre Arbeit vorstellen.

Drechslerarbeiten auf der Art Basel 2015 Drechslerarbeit Nr. 104-109
Foto: Michael Zimmermann – Galerie T.Schulte                                   Foto: Steffen Huber

Eine ansprechende Endbehandlung und durchdachte Präsentation unserer Drechslerarbeiten durch die Galerie Schulte gaben den vielen Einzelobjekten den letzten Schliff. Auf der rechten Seite ein gerade fertiggestelltes Objekt aus den Shapes von Allan McCollum – fein geschliffen, aber noch unbehandelt.
Voraussichtlich im Oktober 2015 wird die Ausstellung des kompletten Sortimentes der 144 Shapes von Allan Mc Collum in der Galerie Thomas Schulte gezeigt werden. Diese ist in der Charlottenstraße 24 in Berlin-Mitte zu finden. Das Eckgebäude zur Leipziger Straße – kurz hinter dem Leipziger Platz Richtung Zentrum ist durch seine großen Rundbogenfenster sehr prägnant und nicht zu übersehen.